Aktivierende Pflege
BeschreibungÂ
Aktivierende Pflege ist eine Form der Pflege, die den Betroffenen viele Handlungs- und Teilhabemöglichkeiten eröffnet. Dabei sollen sämtliche Ressourcen ihrer körperlichen, geistigen und sozialen Fähigkeiten ausgeschöpft werden. Die Pflege ist daher immer individuell. Langfristiges Ziel ist die größtmögliche Selbstständigkeit.
Aktivierend-therapeutische Pflege in der Geriatrie
Aktivierende Pflege richtet sich in der Regel an so genannte geriatrische Patienten und wird daher auch als „aktivierende Altenpflege“ bezeichnet. Unter geriatrischen Patienten versteht man Menschen mit alterstypischen Mehrfacherkrankungen (Multimorbidität).
Aktivierend-therapeutische Maßnahmen in der Altenpflege sind immer individuell auf den Pflegebedürftigen mit seinen persönlichen Fähigkeiten und Einschränkungen zugeschnitten. Aber auch Risikofaktoren, wie beispielsweise eine erhöhte Sturzgefahr, werden im Pflegeplan berücksichtigt.
Aktivierung in der Altenpflege
In Pflegeheimen ist die aktivierende Pflege oft schwer umzusetzen. Gründe dafür sind beispielsweise Zeitmangel oder der regelmäßige Schichtwechsel des Pflegepersonals. In der häuslichen Pflege können Sie hingegen entsprechende Maßnahmen freier und individueller planen. Dabei sollten Sie sich und Ihren pflegebedürftigen Angehörigen allerdings nicht überfordern.
Aktivierende Pflege bei Demenz: 10-Minuten-Aktivierung
Auch und gerade Menschen mit Demenz profitieren von einer aktivierenden Pflege. Dabei ist die Einhaltung einer festgelegten Tagesstruktur von großer Bedeutung. Das bedeutet, dass Sie die pflegerischen Maßnahmen Tag für Tag möglichst im gleichen zeitlichen Abstand und zur gleichen Uhrzeit durchführen sollten.
Diese Struktur verhilft dem Demenzkranken nach einem Gewöhnungsprozess zu einem besseren Zeitgefühl und damit zu mehr Kontrolle über seinen Tagesablauf.
Beispiele und Ziele der aktivierenden Pflege
Wie oben erwähnt, ist das übergreifende Ziel der aktivierenden Pflege eine hohe Selbstständigkeit.
Einzelziele und Beispiele für Maßnahmen der aktivierenden Pflege in den folgenden Bereichen:
Körperpflege
Ernährung
Ausscheidung
Bewegung
Kommunikation
Körperpflege
Eine pflegebedürftige Person kann, beispielsweise wegen eines Schlaganfalls, verlernt haben, wie die Körperpflege schrittweise abläuft. Ein erstes Ziel könnte dementsprechend sein, die Reihenfolge der einzelnen Handlungen wieder zu erlernen. So weiß Ihr pflegebedürftiger Angehöriger, was wann genau „auf ihn zukommt“.
Perspektivisch soll der Betroffene einen möglichst großen Teil der Körperpflege selbst übernehmen. Auf dem Weg dahin können Sie als pflegende Person etwa am Anfang die Hand Ihres Angehörigen führen, statt selbst zu waschen, und so Bewegungsmuster einstudieren.
Ernährung
Ziele in der Ernährung sind neben dem selbstständigen Schlucken, dass der zu pflegende Angehörige wieder lernt, Besteck zu benutzen. Er soll so gut wie möglich allein Essen und Trinken können.
Hier ist es sinnvoll, wenn Sie die einzelnen Handlungen immer wieder demonstrieren und die Bewegungsabläufe gemeinsam mit Ihrem Angehörigen trainieren. Dazu bietet es sich an, Essrituale einzuüben und Hilfsmittel (beispielsweise Teller mit erhöhtem Rand) bereitzustellen. Geht Essen zunächst noch daneben oder werden Hände statt Besteck genutzt, ist das in Ordnung. Im Vordergrund steht die eigenständige Nahrungsaufnahme.
Ausscheidung
Im Bereich der Ausscheidungen sind Einzelziele beispielsweise der selbstständige Umgang mit Hilfsmitteln und zu erkennen, wann die Blase voll ist. Ein großer Schritt in die Selbstständigkeit ist es, die Kontinenz wiederzuerlangen.
Mögliche Maßnahmen sind etwa Orientierungshilfen, die der betroffenen Person helfen, die Toilette zu finden. Aber auch wie Sie die Intimhygiene bei jedem Toilettengang anwendet, können Sie mit ihr einüben. Ein Wecker kann Pflegebedürftige beim Blasentraining an den regelmäßigen Toilettengang erinnern.
Bewegung
Im Sinne der Mobilität soll die pflegebedürftige Person irgendwann möglichst sicher sitzen und gehen können. Dazu müssen Sie, wann immer es geht, ihr Gleichgewicht und die Symmetrie fördern. Kleinere Einzelziele sind zum Beispiel die Gehstrecke Stück für Stück zu verlängern.
Maßnahmen sind neben der regelmäßigen Mobilisation vor allem das Gehtraining, je nach Bedarf mit geeigneten Gehhilfen. Fordern Sie Ihren Angehörigen außerdem soweit möglich beim Transfer, beim Heben oder Tragen stets auf, mitzuhelfen. Seniorengymnastik oder bewegungsorientierte Gruppenaktivitäten können sinnvolle Ergänzungen sein.
Kommunikation
Ziele im Bereich der Kommunikation sind unter anderem
Steigerung des Selbstwertgefühls
Verbesserung der Wahrnehmung
Verbesserung des Gedächtnisses
Maßnahmen im Sinne der aktivierenden Pflege können beispielsweise Kommunikationstafeln, aber auch Krisenbewältigungsgespräche und problemlösungsorientierte Gespräche sein.
Besuchen Sie einen Pflegekurs
Ein idealer Einstieg in die aktivierende Pflege zuhause ist ein Pflegekurs mit entsprechendem Schwerpunkt. Die Kosten werden in der Regel von der Pflegekasse übernommen. Ihre Krankenkasse hilft Ihnen bei der Suche nach einem geeigneten Kursangebot.
Selbstständigkeit und der Pflegegrad
Bei der Begutachtung zur Pflegebedürftigkeit steht der Grad der Selbstständigkeit eines Mensches im Zentrum. Die Gutachter fragen: Was kann die Person und wofür braucht sie Unterstützung? Dabei werden neben Bereichen wie Körperpflege, Ernährung und Mobilität auch beispielsweise die kommunikativen Fähigkeiten sowie die Gestaltung der sozialen Kontakte erfasst.
Ursprung in Pflegemodellen
Es gibt verschiedene Pflegemodelle, die der aktivierenden Pflege zu Grunde liegen. Im Folgenden werden die Modelle von Erwin Böhm, Dr. Monika Krohwinkel sowie Berta und Karel Bobath kurz vorgestellt.
Psychobiografisches Pflegemodell nach Böhm
Eine Grundlage in der aktivierenden Pflege von Menschen mit Demenz bietet das psychobiografische Pflegemodell nach Erwin Böhm. Darin wird der Zugang zu Menschen mit Demenz über ihre persönliche Biografie gesucht.
Sie als pflegende Person sollen die Lebensgeschichte und prägende Ereignisse im Hinterkopf behalten, um Verhaltensauffälligkeiten besser zu verstehen. Zu diesem Zweck dokumentieren Sie, was Ihr Angehöriger aus seiner Vergangenheit erzählt. Es geht hierbei nicht um Daten, sondern eher um Geschichten, die die Kindheit geprägt haben.
So kann das Vertrauen eines Pflegebedürftigen etwa zusätzlich gestärkt werden, wenn Pflegende oder Besuch aus derselben sozialen Schicht oder dem Heimatort kommen.
Fördernde Prozesspflege nach Krohwinkel (AEDL-Konzept)
Auch das Ziel der fördernden Prozesspflege nach Dr. Monika Krohwinkel ist, dass Pflegebedürftige so lange wie möglich selbstbestimmt leben können. Dabei stehen die Aktivitäten und existenziellen Erfahrungen des Lebens (AEDL) im Mittelpunkt.
Neben den grundlegenden Tätigkeiten des alltäglichen Lebens wie Bewegen, Kleiden oder Ausscheiden, beziehen Sie als pflegende Person Prozesse wie „Beziehungen eingehen“ oder „mit belastenden Erfahrungen umgehen“ in die Ziele ein. Sie betrachten den Pflegebedürftigen also ganzheitlich.
Nach Krohwinkel beeinflussen und stärken sich alle Lebensbereiche gegenseitig. Die versorgende Pflege soll dementsprechend ergänzt werden – beispielsweise, indem Sie die Interessen wie frühere Hobbys der zu pflegenden Person intensiv fördern oder sie ermuntern, zu ihrem sozialen Umfeld Kontakt zu halten.
Pflegemodell nach Bobath
Aktivierende Pflege basiert auch auf den Grundsätzen, Methoden und Techniken des Bobath-Prinzips. Im Mittelpunkt dieses Modells steht ein ganzheitliches, aktivierendes Pflegekonzept. Durch immer wiederkehrende Bewegungsmuster trainiert der Betroffen bestimmte Hirnbereiche, um verloren gegangene Funktionen wiederzuerlangen.
Aktivierende Pflege