Bezugspflege
Beschreibung
Bezugspflege ist ein ganzheitlich orientiertes Pflegesystem, das bei der Kranken- und Altenpflege besonderen Wert legt auf die Beziehung zwischen dem Patienten und der zuständigen Pflegekraft. Im Gegensatz zur Funktionspflege haben hier die Patienten bzw. Pflegebedürftigen keine wechselnden Bezugspersonen, sondern meist eine feste Bezugspflegekraft. Diese betreut zwar meist mehrere Personen während ihrer Schicht, die einzelnen Patienten haben jedoch stets dieselbe Ansprechperson.
Für die Ausführung und die Rolle der Bezugsperson ist eine entsprechende Bezugspflegekraft zuständig. Sie wendet die vorher festgelegten Pflegemaßnahmen an und kann sie ggf. im Rahmen von Pflegeanleitungen an Hilfskräfte wie Pflegehelfer abgeben.
Die Rolle der Bezugspflegekraft wird z. B. in Wohngemeinschaften deutlich: Diese Gemeinschaften gelten als Alternative zum Altenheim, bei der i. d. R. acht bis zwölf Menschen ihren Alltag zusammen verbringen. Eine Präsenzkraft betreut sie und gilt gleichzeitig als treibende Kraft der Wohngemeinschaft. Sie sorgt dafür, dass alle Bewohner ihre Fähigkeiten und Vorlieben bei jeder Tätigkeit einfließen lassen können. Da sich die Bewohner dadurch stark an der Pflegefachkraft orientieren, übernimmt sie automatisch die Rolle der Bezugsperson.
Arten der Bezugsperson
Das Kuratorium Deutschen Altenhilfe unterscheidet bei Bezugspersonen in der Bezugspflege zwischen zwei Arten:
Art der Bezugsperson | Definition |
Primäre Fachpflege-Bezugsperson | Ansprechpartner und Vertrauensperson für den Pflegebedürftigen sowie dessen Angehörige. Sie übernimmt diese Rolle vom Einzug bis zum Auszug oder Tod des Bewohners. Aufgaben der primären Fachpflege-Bezugsperson:
Geringfügig beschäftigte Pflegekräfte sind als Bezugsperson weniger geeignet, da sie meist nicht kontinuierlich anwesend sind. Diese Voraussetzung ist allerdings insbesondere bei der Eingewöhnung in der Bezugspflege entscheidend. |
Aktuelle Fachpflege-Bezugsperson | Person, die während einer Schicht für eine gewisse Anzahl von Pflegebedürftigen/einen bestimmten Bereich zuständig ist. Sie übernimmt die umfassende Pflege der einzelnen Personen innerhalb der Schicht. Dazu gehören insbesondere folgende Aufgaben:
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Grundsätzlich gilt bei der Bezugspflege: Jede Pflegefachkraft sollte nicht für mehr als sechs bis acht Personen zuständig sein. Die genaue Anzahl hängt v. a. vom Krankheitsbild und Betreuungsbedarf der jeweiligen Bewohner ab. Die Einteilung der einzelnen Fachkräfte übernimmt der Pflegedienst bzw. die Stationsleitung.
In einigen Punkten ist die Bezugspflege jedoch ähnlich zur Bereichspflege: Dort sind die zu versorgenden Pflegeeinheiten bzw. -stationen in vorgeschriebene Bereiche oder Gruppen eingeteilt. So ist eine Pflegekraft für eine bestimmte Gruppe oder ein bestimmtes Zimmer einer Station zuständig. Allerdings gibt es auch Unterschiede zwischen beiden Pflegeformen.
Merkmale der Bezugspflege
Die grundlegenden Merkmale der Bezugspflege sind:
Bezugspflege legt besonderen Fokus auf die Beziehung zwischen Patient und Pflegekraft.
Die Pflegekraft übernimmt während ihrer Schicht besondere Verantwortung als enge Bezugsperson des Patienten. So trifft sie alle Entscheidungen, die die Pflege des Betreuten betreffen.
Es gibt eindeutig festgelegte Zuständigkeiten unter den einzelnen Pflegefachkräften. Die hierbei eingeteilten Bereiche bleiben jedoch meist gleich.
Alle Bezugspflegefachkräfte planen und setzen ihre Pflegemaßnahmen selbst um.
Bei einem Ausfall der zuständigen Bezugspflegefachkraft muss eine andere Pflegekraft einspringen. Sie muss sich dabei an die Planung der Pflegekraft halten, die sie vertritt.
Vertretungen der Pflegepersonen gibt es meist nur in Ausnahefällen, z. B. bei Urlaub oder einer längeren Fortbildung.
Eine Sonderform der Bezugspflege ist das sog. „Primary Nursing“.
Unterschied Primary Nursing und Bezugspflege
Beim Primary Nursing (engl. für „Primärpflege“) übernimmt eine sog. „Primary Nurse“ die Aufgaben der Bezugspflegekraft. Diese Pflegeform basiert auf den Prinzipien der Bezugspflege: Auch hier wird einem Patienten eine Pflegekraft indivduell zugteilt.
Allerdings trägt beim Primary Nursing die Pflegekraft rund um die Uhr die alleinige Verantwortung für ihren Patienten. In der Bezugspflege sind die Betreuer nur für die Zeit ihres Diensts für die Pflege der Patienten zuständig.
Warum ist Bezugspflege wichtig?
Bezugspflege als Pflegesystem hat in den letzten Jahrzehnten immer mehr Zuwachs erhalten. So geht der Trend weg von der generalistischen Funktionspflege hin zur individuellen Versorgung in der Bezugspflege. Doch weshalb ist so eine Entwicklung erkennbar? Warum ist Bezugspflege so wichtig?
1. Bezugspflege erfüllt menschliche Bedürfnisse
Jeder Mensch hat das Bedürfnis nach Kontakt, Beziehung und Nähe zu anderen Menschen. Sie bestehen unabhängig vom Alter und Gesundheitszustand der zu pflegenden Personen. Die Bezugspflege kommt diesem Wunsch nach und bietet allen Pflegebedürftigen die Möglichkeit, in engen Kontakt und Austausch mit einer festen Bezugsperson zu treten.
2. Umzug ins Alten- oder Pflegeheim fällt leichter
Muss ein Mensch erstmals von zu Hause in ein Pflege- oder Altenheim ziehen, kann es ihm schwerer fallen, sich an die neue Umgebung zu gewöhnen. Während im alten Haus alles vertraut und bekannt war, sorgen die neuen vier Wände häufig für Unsicherheit und Unwohlsein.
Gerade in diesem Abschnitt sind Kontinuität und Stabilität für Pflegebedürftige besonders wichtig. Die Bemühungen der Pflegekraft, im Rahmen der Bezugspflege ein enges Vertrauensverhältnis mit dem Patienten zu schaffen, können diese notwendige Sicherheit bei Pflegebedürftigen schaffen.
3. Ausgleich zu fehlenden Angehörigen oder Bekannten
Vor allem ältere Menschen haben manchmal keine Angehörigen oder Bekannten mehr, da diese bereits verstorben sind oder zu weit weg wohnen, als dass sie regelmäßig auf einen Besuch vorbeikommen können. Teils wollen oder können die Angehörigen aber auch nicht die Pflege des Patienten übernehmen.
Auch hier versucht die Bezugspflege einen Ausgleich zu schaffen, indem die betreuende Pflegekraft ein ähnliches Vertrauen zum Pflegenden aufbaut, wie er es zu seinen sonstigen Angehörigen und Bekannten hat bzw. hatte.
Auch wenn nun klar ist, wieso Bezugspflege ein wichtiges Pflegesystem in unserer modernen Gesellschaft ist, bietet das Modell nicht nur Chancen, sondern auch Risiken für Pflegeheime und Pflegedienste.
Vor- und Nachteile von Bezugspflege
Die folgende Ãœbersicht zeigt einige Vor- und Nachteile, die die Bezugspflege mit sich bringt:
Vorteile:
Verglichen mit anderen Pflegesystemen lässt sich bei der Bezugspflege langfristig eine tiefere Bindung und größeres Vertrauen vom Patienten zur Pflegefachkraft aufbauen. Dadurch fühlen sich die Patienten mehr wertgeschätzt und öffnen sich leichter gegenüber ihrer betreuenden Pflegekraft.
Durch den engen und vertraulichen Umgang berücksichtigt die Bezugspflege die Bedürfnisse jedes einzelnen Patienten. Damit kann die Pflegekraft ein ganzheitliches und bedürfnisgerechtes Pflegekonzept entwickeln.
Die Eingewöhnungsphase des Patienten ist meist leichter, da er bereits zu Beginn stets dieselbe Ansprechperson hat. So vermittelt ihm die Pflegekraft schneller das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit eines neuen Zuhauses.
Durch das größere Vertrauen funktioniert die Arzt-Patienten-Kommunikation i. d. R. reibungsloser. Gleichzeitig fällt der Kontakt mit Angehörigen leichter.
Sowohl in der stationären als auch in der ambulanten Pflege sind die Bezugspflegekräfte häufig die letzte Möglichkeit für ältere Menschen neue Kontakte zu knüpfen und zu halten.
Nachteile:
Letztlich muss jede Pflegeeinrichtung und jeder (ambulante) Pflegedienst selbst entscheiden, ob es sinnvoll ist, sich dem Modell der Bezugspflege anzunähern und entsprechende Konzepte zu entwickeln.
Was bei der Entscheidung helfen kann, sind die Aufgaben, die besonders bei der Bezugspflege anfallen. So kann sich die Pflegeleitung ein Bild davonmachen, wie realistisch sich diese Aufgaben in ihrem Dienst umsetzen ließen.
Aufgaben in der Bezugspflege
Jedes Pflegesystem hat teils unterschiedliche Aufgaben, die auf die Pflegefachkräfte zukommen.
In der Bezugspflege müssen sie insbesondere folgenden Tätigkeiten nachgehen:
Pflegerische Anamnese des Pflegebedürftigen durchführen.
Pflegemaßnahmen und -prozesse planen, ausführen und im Anschluss bewerten.
Notwendige Hilfsmittel für die Patienten bestellen.
Alle ausgeführten Pflegemaßnahmen fachgerecht dokumentieren.
Ggf. einzelne Aufgaben an Pflegehelfer oder Auszubildende abgeben.
Biografiearbeit mit den Pflegebedürftigen leisten.
Diese Aufgaben machen die Grundprinzipien der Bezugspflege deutlich. Wenn sich Verantwortliche im Gesundheitswesen nun dafür entscheiden, ein entsprechendes Bezugspflegekonzept zu entwickeln, sollten sie jedoch noch weitere Punkte beachten.
Passendes Pflegekonzept entwickeln und umsetzen
Um das passende Bezugspflegekonzept zu entwickeln, sollten Pflegedienstleitungen und andere Verantwortliche v. a. folgende Schritte berücksichtigen:
1. Konzeption und Aufteilung der Zuständigkeiten
Alle Fachkräfte auf die einzelnen Pflegebedürftigen aufteilen. Hierbei zunächst ermitteln, wie hoch die zu erwartende durchschnittliche Leistungsdauer pro Patient und Schicht ist.
Bei stationärer Bezugspflege: Die Aufteilung erfolgt meist entweder anhand von räumlichen Kriterien (nach Raum, Stockwerk, Station) oder anhand spezieller pflegerischer Kriterien (Pflegegrad, Vorerkrankungen etc.).
Es können zusätzliche Hilfskräfte wie Pflegehelfer hinzugezogen werden.
Am Ende muss das Verhältnis von Pflegestufen und Krankheitsbildern bei jeder Fachkraft ausgewogen sein.
Die Zuordnung der Bezugspflegefachkräfte zu ihren Patienten sollte schriftlich dokumentiert werden.
2. Angehörige benachrichtigen
Vor bzw. spätestens bei Beginn der Einführung des Bezugspflegekonzepts sollten Angehörige der Pflegebedürftigen darüber informiert werden, welche Pflegefachkraft ihre künftige Ansprechperson sein wird.
3. Nach Probezeit neues Pflegekonzept prüfen
4. Weitere Kontrollen und Meinungsumfragen
Diese Schritte fördern eine erfolgreiche Umsetzung von Bezugspflege in der Kranken- und Altenpflege. Doch die Bezugspflege ist nicht nur in diesen Bereichen hilfreich. Besonders im Umgang mit Menschen, die unter Demenz leiden, können die Ansätze der Bezugspflege förderlich für die pflegerische Behandlung sein.
Bezugspflege bei Demenz
Die Bezugspflege ist insbesondere bei Menschen mit Demenz ratsam. Gerade sie benötigen Kontakt, Beziehungen und Nähe zu Anderen, da sie sich häufig noch an vergangene Situationen mit Wärme, Zuwendung und Freude erinnern können. Um diese Gefühle nicht weiter in Vergessenheit geraten zu lassen, versucht die Bezugspflege diese Emotionen durch besondere Nähe und Vertrauen zur Pflegefachkraft wieder aufleben zu lassen.
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